Für welche Haltungsform würden sich Pferde entscheiden?

Die Haltung meiner Pferde hat für mich viele Jahre graue Haare hervorgerufen. Schließlich kann man sich die geliebten Vierbeiner nicht einfach in den Garten stellen. Man ist also abhängig von anderen Menschen - Stallbetreibern. Die häufigste Form (bei uns im Osten von Deutschland) der Pferdehaltung ist die altbewährte Boxenhaltung mit täglichem Koppelgang. Doch ist dies auch die beste Haltungsform für unsere Pferde UND gibt es überhaupt DIE einzig gute Haltungsform?

Das Pferd - ein Lauftier, welches in seiner natürlichen Umgebung täglich bis zu 18 Stunden lang mit Grasen beschäftigt ist und dabei bis zu 40km zurücklegt. Dazu lebt das Pferd ursprünglich im Verband einer Herde. Soziale Kontakte sind also für den Vierbeiner von höchster Wichtigkeit. Wie hält man ein solch lauffreudiges, soziales Tier nun am artgerechtesten und welche Folgen können Haltungsfehler haben?

Lassen wir den langen Einleitungstext weg und starten direkt mit der häufigsten Haltungsform...

 

Boxenhaltung mit Koppelgang

 

Bewegungsbedarf kritisch betrachtet 

Die wohl am häufigsten praktizierte Haltungsform ist die Boxenhaltung mit täglichem Koppelgang. Hier findet man die Langohren meist von morgens bis zum frühen Abend auf (großen) Koppeln und am Abend bis zum nächsten Morgen in einer oft vergitterten Box. Die von der Landwirtschaftskammer NRW vorgegebene Mindestgröße einer Box für ein 1,70m hohes Großpferd in Einzelhaltung, wird mit 11,29qm beziffert. In manchen Fällen gehört sogar ein kleiner Paddock zur Box, welcher meist die gleichen Maße zugrunde legt. 

Nun könnte man meinen, dass der tägliche Koppelgang dem Bewegungsbedürfnis eines Pferdes Rechnung trägt und somit die Nacht in der verhältnismäßig kleinen Box zu verkraften ist. Zumal das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft eine freie Bewegungsmöglichkeit von nur mindestens 2 Stunden pro Tag empfiehlt. Das absolute Minimum sozusagen, was einem Pferd an freier Bewegung pro Tag zuteil werden sollte. Somit liegen wir bei einem täglichen Koppelgang von bis zu 10 Stunden doch absolut im Rahmen, oder? Nun ja, 10 Stunden Koppel bedeuten auch gleichzeitig 14 Stunden Box. Für ein Tier, welches Laufen muss, um gesund zu bleiben, alles andere als ideal. Hier hilft es auch nicht, dem Vierbeiner täglich noch eine (Reit)stunde Zusatzbewegung zu "gönnen". Mangelnde Bewegung ist häufig Ursache für Hufprobleme, Atemwegserkrankungen oder Verhaltensstörungen wie Zwangsverhalten. 

Doch schauen wir genauer hin, bemerken wir neben der Misere der viel zu langen "Standzeit" noch weitere Punkte, die, gerade für ein hochsensibles Tier wie dem Pferd, schnell katastrophale Zustände bedeuten können.

 

soziale Probleme

Zum einen leben Pferde als hochsoziale Tiere ursprünglich in einem Herdenverband. Der Kontakt zu den anderen Tieren ist existenziell für die mentale Gesunderhaltung der Vierbeiner. Zahlreiche Boxen sind jedoch komplett vergittert. Soziales Zusammenstehen, sich gegenseitig beknabbern oder gemeinschaftliches Liegen sind nicht möglich. Stehen Pferde nebeneinander, die sich nicht mögen, ist es zudem einem eingesperrten Pferd nicht möglich sich der Anwesenheit der Boxennachbarn zu entziehen. Stress entsteht durch Futterneid, zu nahe Distanzen und die fehlende Möglichkeit eine artgerechte Interaktion zum Gegenüber zu realisieren. 

 

Futterangebot

Doch ein weiterer Punkt tritt in Hinblick auf die Haltungsform und ihre Nachteile zutage - oftmals werden Pferde in klassischer Boxenhaltung mit Koppelgang zwei Mal am Tag mit Heu versorgt. Zum einen passen oft die angebotene Menge und der tatsächliche Bedarf nicht zusammen, zum anderen wird die Heufütterung oft so realisiert, dass ein Berg Heu in die kleine Box geschoben wird, was unweigerlich dazu führt, dass das Pferd innerhalb kurzer Zeit größere Mengen Heu unter die Boxeneinstreu tritt und somit nicht mehr fressen mag. Das ärgert so manchen Stallbetreiber, der wiederum die angebotene Heumenge künftig reduziert. 

Ein fataler Fehler betrachtet man das natürliche Fressverhalten eines Pferdes., welches sich 18 Stunden am Tag der Nahrungsaufnahme widmet. Pferde fressen nicht wie Hunde eine oder zwei Portionen am Tag und ruhen dann - sie verteilen ihre Nahrungsaufnahme über den kompletten Tag. Dabei ist es nicht elementar möglichst viel Masse innerhalb kurzer Zeit aufzunehmen - viel mehr ist der Kerngedanke eine konstante Aufnahme langer Halme. Das Pferd produziert, anderes als der Hund oder wir Menschen, ununterbrochen Magensäure. Dieses Säuremillieu gilt es stetig zu regulieren. Kommt es nun durch Fütterungsfehler zu langen Fresspausen (die Wissenschaft spricht von über 4 Stunden), hat dies unweigerlich Einfluss auf die Magen-Darmgesundheit unserer Pferde. Magengeschwüre sind hier keine seltene Folge. Abhilfe könnten hier Heunetze leisten, die das Heu vor dem Untertreten schützen und ein langsames, stetiges Fressen garantieren.

 

mein Pferd freut sich am Abend auf den Stall

Wirklich? Meine Beobachtungen lassen eher folgenden Schluss zu - viele Pferde dürfen tagsüber auf große Wiesen, dort gibt es häufig jedoch weder einen geeigneten Witterungsschutz, noch steht hochwertiges und genügend langes Gras zur Verfügung. Oftmals werden die Tiere bei solch mangelhaften Bedingungen  auch nicht zugefüttert. Wasser wird oft über eine Selbsttränke an einem Wasserwagen angeboten. Häufig stehen zu wenige Möglichkeiten für alle Pferde zur Verfügung, sodass die rangniedrigen Tiere selten Versuche starten, Wasser zu beanspruchen. Gerade in gewinnorientierten Ställen beobachte ich einen ständigen Zu- und Abgang von Pferden, sodass eine verlässliche und harmonische Herdenkonstellation meist nicht erreicht wird. Dies alles kann dazu führen, dass ein Pferd am Abend tatsächlich "gern" den Stall aufsucht und scheinbar zufrieden in seiner Box "herunter kommt", doch sollten wir uns fragen, was an dieser Stelle schief gelaufen ist, wenn eine 11qm Box für 14 Stunden neben eventuell ungeliebten Nachbarn willkommen scheint.

 

Alternative Offenstall?

 

das Konzept

Viele meiner Kunden wissen um die Missstände in der Haltung ihrer Pferde, bemühen sich um einen Offenstallplatz und hoffen auf bessere Bedingungen fürs Pferd. Doch was heißt "Offenstall" eigentlich?

Im Offenstallkonzept wird dem Pferd ein ständig zugänglicher Stallkomplex, sowie eine Außenfläche zur Verfügung gestellt. Klingt erst einmal gut, oder?

Pferd - Lauftier - darf sich frei bewegen ohne eingesperrt zu werden...

 

ja, aber...

Schaut man genauer hin, erkennt man schnell, dass die Idee gut war, die Umsetzung jedoch häufig starken Verbesserungsbedarf aufweist. Oft werden viel zu viele Pferde zusammen eingepfercht, was zu unschönen Szenen unter den Tieren führt, zum anderen gibt es nicht selten zu wenig Bewegungsanreize für die Tiere. Meist werden 1-2 Heuraufen zentral platziert, an denen sich die Pferde die meiste Zeit aufhalten. Wasser steht zur Verfügung und kann in wenigen Schritten erreicht werden. Es besteht somit keine Notwendigkeit für die Vierbeiner sich von A nach B zu bewegen. Der Tag wird überwiegend an der Raufe verbracht, oder man schlendert zum Wasser. Beschäftigungen in Form von Futterspielzeugen, Knabberästen, Sandkästen, Kräuterbeeten, Wasserlöchern werden selten angeboten. 

 

Sicher gibt es auch gut geführte Offenställe, mit vielen kleinen Heustationen, mehr Bewegungsanreizen und klugen Herdenkonstellationen, jedoch stört mich immernoch ein unveränderbarer Fakt - das Bewegungsdefizit der Tiere! Es existieren keine Strecken, die als Rennstrecken genutzt werden können. Das Pferdeleben beschränkt sich oft auf eine Fläche und einen Stall. Manchmal schließt sich auch eine Wiesenfläche an...

 

Was ist die Lösung des Problems?

 

die Ideallösung für uns und unsere Pferde

Für uns und unsere Pferde ist das Trailkonzept die beste und artgerechteste Möglichkeit der Haltung. Hierbei läuft ein Netz aus permanent zugänglichen Wegen (Trails) um die vorhandenen Koppeln herum. Zum einen hat dies den Vorteil, dass man gezielt Flächen schließen und damit schonen kann, ohne den Pferden Laufwege oder Bewegungsmöglichkeiten zu nehmen, zum anderen ergeben sich tausend Möglichkeiten Bewegungsanreize zu schaffen. Unser Trail für unsere beiden Pferde misst eine Länge von insgesamt 600m und verteilt sich über eine Fläche von 15.000qm. Die witterungsgeschützte Indoorheustation befindet sich auf der einen Seite des Geländes, die Wasserstelle auf der Anderen. Auch um zu den Heunetzen, der Heutonne, den Lecksteinen, den Spielzeugen , dem Sandkasten, den Unterständen oder den Kräuterbeeten zu gelangen, müssen Finn und Calypso ordentliche Strecken zurück legen. Das führt dazu, dass sich unsere Pferde den ganzen Tag über in Bewegung befinden. Es gibt immer wieder neue Dinge zu entdecken, neue Pflanzen an den Wegrändern zu finden und immer andere Untergründe zu fühlen. Große Baumgruppen bieten Schatten und die Sandkästen laden zum wälzen und schlafen ein. 

 

Wie soll ich das umsetzen?

Natürlich ist es nicht jedem Pferdemenschen möglich eine riesige Fläche zu besorgen und einen Paddocktrail anzulegen, aber man könnte in den vorhandenen Ställen gemeinschaftlich oft schon Veränderungen herbeiführen, die für unsere Pferde eine massive Bereicherung herbeiführen würden. Um die vorhandenen Koppeln könnten zum Beispiel Wege angelegt werden, auf denen sich die Tiere 24/7 frei bewegen könnten. Es könnten genügend Bewegungsanreize geschaffen und die Herden besser organisiert werden. Denn es ist nicht "normal", dass manche Pferde ständig von anderen Pferden zerlegt werden!

 

Fazit

Pferde haben es sich nicht ausgesucht, uns zu "gehören". Sie haben sich auch nicht ausgesucht, wo, wie und mit wem sie ihr Leben verbringen. Es ist unsere Pflicht unsere Pferde so artgerecht wie möglich zu halten. Denn anders als ein Fahrrad, was man nach einer lustigen Radtour wieder in den häßlichen Keller stellt, verdienen unsere Tiere ein Zuhause, in dem es sich richtig gut leben lässt.

 

In diesem Sinne - wo ein Wille, da ein Weg - auch ohne große finanzielle Mittel.

 

Noch nicht genug vom Thema Pferdehaltung? 

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